Hospizbewegung Gmunden
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Eine besondere Begleitung
Besonders war die Art und Weise, wie ich zu dieser Begleitung kam.
Besonders war der Mensch, den ich begleitete, und mein Weg, den ich dadurch ging.
Bestimmt kennen Sie jene Situation, wenn man von einem Bild, einem Wort berührt wird und davon nicht mehr loskommt. So ging es mir an jenem Sonntag. Ich sah Christian, sah deutlich vor Augen, was sein momentaner körperlicher Zustand an Unterstützung brauchte, und wusste, er war allein damit. Ich konnte nicht mehr zur Tagesordnung übergehen, es ließ mich einfach nicht mehr los. Und so ging ich zu ihm, klärte ab, was von Nöten sei, und fragte ihn nach zwei Wochen, ob er von mir begleitet werden möchte. Damals formulierte ich es so: So lange es mir möglich ist.
Christian war an ALS erkrankt, er war alleinstehend und ein von Herzen lebensfroher Mensch. Diesem Singlehaushalt, der vor Überforderung schrie, stellte ich mich – und dem Menschen Christian, mit seinen Hoffnungen und Enttäuschungen, mit seinen Verletzungen und Freuden und seinem Humor. Wir machten einander vertraut im Gespräch, in unzähligen Spaziergängen, im Blick auf die Vergangenheit und im gemeinsamen Hoffen auf die Zukunft. Das Wichtigste jedoch war stets der gegenwärtige Moment. Von Christian konnte ich lernen, ganz im Augenblick zu sein.
Es war von Beginn an eine Begleitung, die mit großer Gewissheit von Gottes Geist getragen war. Vom Geist, der befähigte, der behütete, der Türen öffnete und uns Menschen zur Seite stellte. Mir wurde sehr schnell bewusst, dass ich diese Begleitung nur mit Gottes Hilfe schaffen konnte, um nicht auszubrennen, um die Beziehungen, die zu meinem übrigen Leben gehörten, nicht zerbrechen zu lassen, um daran nicht zu verzweifeln. Denn alle Menschen, mit denen ich über meine Begleitung sprach, rieten mir ab davon: es sei zu herausfordern, zu traurig, zu kräfteraubend – und keiner wisse, wie lange diese Begleitung dauern würde. Ich blieb dennoch, wuchs hinein, eignete mir die jeweils nötigen Fähigkeiten an, holte Pflegerinnen, Therapeuten und Fachpersonal ins Boot, organisierte und war einfach da.
Wenn Christian am Leben zu verzweifeln drohte, wenn er mit seinem Gott haderte und klagte, versuchte ich, ein kleiner Lichtblick für ihn zu sein. Und wenn ich von den Anforderungen und Erfahrungen einzuknicken drohte, zeigte er mir, wie Leben angesichts dieser Schwere gelingen konnte und es immer einen Grund zu lachen gab. Viele Menschen kamen zu Besuch und genossen den Frieden, den er ausstrahlte. "Es ist so gut bei euch, richtig erholsam."
Ich machte jene Ausbildungen, die ein gutes Fundament geben für diese Begleitung. Er nahm Anteil, stelle sich meinen Fragen und freute sich mit mir über gelungene Prüfungen.
Die Begleitung veränderte mich, ließ mich in die Tiefe wachsen, ließ meine Beziehung zu Gott sehr intensiv werden. Sie ließ mich zu einer Hörenden werden.
Ich begleitete Christian bis zu seinem letzten Atemzug. Zuhause, nachdem er sich von seinen Freunden verabschiedete und den Eindruck vermittelte, es ist alles gesagt, es ist gut so, wie es ist, schlief er ein.
Silvia Blaimschein
Zeitschrift LW Ausgabe 2/2018 Seite 21