Hospizbewegung Gmunden
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Trauer bewegt – Wanderung mit Trauernden
Treffpunkt ist ein öffentlich zugänglicher Parkplatz im Almtal und 11 trauernde Menschen wollen mit mir die verschiedenen Stationen gehen. Der Reihe nach - von Anfang an - sich auf den Weg machen aus der innerlichen Starre. Ich begrüße alle Teilnehmer*innen persönlich und wir beginnen unsere Wanderung – Schritt für Schritt. Wir sind in Bewegung.
Unsere erste Station:
Trauer beginnt mit dem Tag der Diagnose, mit dem Verlust der Gesundheit, Stille und Sprachlosigkeit werden groß. Ein Korb mit Steinen steht in unserer Mitte auf dem Waldweg und ich lese einen Text:
"Loslassen -
Loslassen muss ich von vergangenen Tagen, mich versöhnen mit dem Leben und nicht mehr fragen.
Loslassen muss ich von Vorstellungen, die ich hatte, zu hoch gesteckt habe ich so manche Latte.
Loslassen muss ich von der Vorstellung, kräftig und stark zu sein. Im Rad des Getriebes bin ich klein.
Loslassen muss ich von gewohnten Dingen des Lebens, festhalten ist vergebens.
Loslassen muss ich von Menschen die ich liebgewonnen, denn des Lebens Zeit ist bald verronnen.
Loslassen muss ich vom Leben und seinem Gelingen, hier auf Erden wird mir die Zukunft nichts mehr bringen.
Loslassen muss ich und weitergehen, mit offenen Augen darf ich in mein neues Leben sehen (Elisabeth Neureiter)."
Jeder nimmt sich einen Stein aus dem Korb – er wird unser Begleiter sein während der Wanderung. Wir halten noch einen Moment inne in dieser Stille, dann machen wir uns auf, weiterzugehen. Wir sind in Bewegung.
Unsere zweite Station:
Gefühle wie Zorn, Wut, Angst und Schmerz – sie brauchen einen besonderen Platz in unserem Leben. Wir haben unsere nächste ´Haltestelle´ nach etwa zehn Minuten Gehzeit erreicht und sind in einem Waldstück auf einer Lichtung angekommen.
Hier liegen große gefällte Baumstämme – jeder sucht sich seinen Platz. Es geht darum, so starken Gefühlen den angemessenen Raum zu geben. Diese Gefühle sind Meister und können uns klein machen, sie brennen uns arm und Hoffnung kann dünn werden. Vielleicht ist für manchen dieser Weg noch weit und jeder der möchte, darf von seiner Wut und Zorn, Angst und Schmerz erzählen. Wir anderen bleiben in respektvoller Stille, wenn jemand spricht. Ein paar Minuten bleiben wir noch ruhig im Kreis unter uns – wir hören die Vögel zwitschern und den Wind in den Bäumen.
Wir sind in Bewegung - unserer Reise geht weiter und ich merke, wie sich die Trauernden untereinander zusammenfinden und sich zu unterhalten beginnen.
Unsere dritte Station
-liegt mitten im frischen Grün eines Jungwaldes, darüber hohe dürre Bäume. Verhandeln und Suche konstruieren jetzt einen Teil des Themenraumes, ebenso wie Zwiegespräche und innere Auseinandersetzung mit der/m Verstorbene/n. Ich bitte die Trauernden den Stein in eine Hand zu nehmen, die Augen dabei zu schließen und den Stein zu fühlen. Durch die Hände angewärmt, einzigartig in seiner Form – so hat sich Jeder inzwischen mit ´seinem´ Stein vertraut gemacht. Alle gehen in ihrem Tempo eine Weile zwischen den jungen Bäumen herum, bevor wir unseren Platz wie von selbst in einem Kreis aufgestellt finden.
Gedanken, Worte, Gefühle, Tränen – manches ist in Fluss gekommen - physisch, psychisch, geistig – es ist vielerlei in Bewegung. Diese Menschen verbindet ein unsichtbares ähnliches Schicksal – den Tod eines geliebten Menschen. Das gemeinsame Wandern hat sie miteinander vertraut gemacht – eine verbindende ganz feine hoffnungsgebende Kraft wird spürbar. Unsere Gruppe ist zum Team geworden.
Wir sind in Bewegung und ich lese einen Text:
"Was ich brauchte, nachdem du gestorben warst, war ein Mensch, der meine Einsamkeit verstand, war ein liebevolles Wort in meiner Sprachlosigkeit.
Was ich brauchte, nachdem du gestorben warst, war eine Umarmung, wo innere Kälte mich umfing.
Was ich brauchte, nachdem du gestorben warst, war eine Schulter, an der ich mich ausweinen durfte.
Was ich brauchte, nachdem du gestorben warst, war ein Lächeln in der Nacht meines Lebens, war eine Hand, die sich mir entgegenstreckte.
Was ich brauchte, nachdem du gestorben warst, war nach der Dunkelheit der erste Sonnenstrahl, der mein Herz traf und mich wärmte (Elisabeth Neureiter)".
Wir gehen weiter, eine viertel Stunde entlang eines Waldrandes zur
Vierten Station:
Zustimmung und Selbstvertrauen wachsen – eine Erfahrung, die für jeden individuell ist – ohnmächtig und doch belastungsfähig, traurig und doch stimmig, gebrochen und doch ganz. Dieses neue Gefühl annehmen und erlauben, es akzeptieren und verstehen, die Möglichkeit an der Gestaltung des eigenen Lebens teilzuhaben ist ein Weg der Zeit abverlangt.
Die Phase des neuen Selbst, obwohl der Mensch der gleiche ist? Verantwortung neu übernehmen für das eigene Leben? Alles ohne die/den Verstorbene/n – kann dem entsprochen werden, kann das zu Wege gebracht und entwickelt werden? Eindringliche, reale Empfindungen die gangbar sind? Der/die Verstorbene wird immer Begleiter sein – mal mehr, mal weniger.
Wir sind bei einem Marterl angekommen – unserer letzten Station, an der wir uns verabschieden werden. Als Zeichen der Verbundenheit reichen wir uns die Hände. Alle Frauen und Männer hier vermissen einen verstorbenen Menschen und sie haben sich gemeinsam auf einen bewegten Weg gemacht mit ihrer Trauer. Ich zünde eine Kerze an und jede/r die/der möchte, darf noch etwas sagen oder ein Gebet sprechen.
"Die Straße der Barmherzigkeit macht es möglich, vielen Brüdern und Schwestern zu begegnen, die die Hand ausstrecken, damit sie jemand ergreifen kann, um miteinander zu gehen (Papst Franziskus)".
DANKE an die 11 trauernden Menschen und ihren Mut diese Trauerwanderung gemeinsam mit mir zu gehen. Karin Zwirzitz.