Hospizbewegung Gmunden
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Lauras Geschichte von Freiheit
Als junger Mensch seine Freiheit zu genießen ist das Normalste von der Welt. Freunde zu haben, den Beruf nach eigenen Vorstellungen zu wählen, fortgehen und feiern, Führerschein, das erste Auto, Spaß haben und Unsinn machen, aber auch Erfolg und Anerkennung erfahren zu dürfen. Ganz einfach erwachsen werden.
Ende Sommer 2019 fühlt sich Laura schwindlig und läuft weiß an. Sie sieht auch weiß und fällt um. Nichts Ungewöhnliches bei einem Teenager, das kann schon mal passieren. Sie erholt sich schnell und der Sache wird keine besondere Aufmerksamkeit geschenkt. Die Arbeit als Friseurlehrling macht ihr Spaß. Trotzdem - ihre Hände fühlen sich komisch an, so als ob sie diese extrem verlegt hätte. Das kommt bestimmt durch die ungewohnte Arbeit.
Laura kann die Fönbürste auf einmal nicht mehr halten, keine Faust machen – es war einfach nicht mehr möglich. Ihre Hände nimmt sie wie in Eis erstarrt wahr. Sie tun weh.
Laura gestaltet ihr Leben trotzdem normal weiter, sie will unabhängig sein, ihre Freiheit und Jugend einfach genießen. Sie hat das Recht dazu, wie alle anderen auch - selbstständig und selbstbestimmt.
Schmerzen breiten sich weiter aus und nehmen mehr und mehr von ihrem Körper ein, wie wenn sie gefesselt würde. Hände, Knie, Ellbogen und Schultern. Wie eine Gefangene wird Laura von diesem ´einnehmendem Etwas´ festgehalten. Dann die Diagnose – eine Autoimmunerkrankung – Rheuma. Cortison und Schmerzmittel bringen nicht den erhofften Erfolg bzw. Linderung und wenn, dann immer nur kurzfristig. Es wird immer schlimmer. Auf einen guten Tag, mit wenig Schmerzen und besserer Beweglichkeit, folgen wieder schlechte. Anstatt Besserung und frei werden von dieser Erkrankung, umklammert sie den Teenager mehr und mehr.
Mitte Juli 2020 ist Laura unfähig zu gehen, das Aufstehen ist mühsam und ein nur noch über seitliches Drehen ´irgendwie aufkommen´ – wie sie es selbst ausdrückt. Ihr ´Freiheitsradius´ beschränkt sich großteils auf ihr Lager im Wohnzimmer und den Weg zur Toilette.
Freiheit – bedeutet Eigenständigkeit, Unabhängigkeit, das Anrecht, sich frei zu bewegen – zu dieser Zeit für Laura nicht oder nur eingeschränkt möglich. Wird das wieder? Vielleicht ist es morgen schon besser, oder wieder gut. Laura kann das nicht mehr hören – "es wird eh besser", "das nervt – denn du glaubst: es wird nicht besser"! Die Eltern hoffen auf das nächste Medikament, das laut Stufenmodell an der Reihe ist. Gott sei Dank – es wirkt – nur kurz - und wieder nur in Verbindung mit Cortison.
Ihre Mama würde alles tun, alles geben - und sie kann bald nicht mehr. Wenn Laura zumindest schmerzfrei wäre, wenigstens die Freiheit hätte, irgendwie aus dem Bett zu kommen ohne Schmerzen. Es folgt ein ganz schlimmer Schub, drei Wochen lang, mit extremer Morgensteifigkeit, einem Gefühl, das Laura als ´gefesselt Sein´ beschreibt. ´Als ob mich wer festhält, niederdrückt´. Sie schafft es nicht mehr aufs Klo - das Bett wird nass. Laura kann nicht mehr gehen und so trägt der Papa Laura die Treppe hinauf oder bringt sie runter.
Sie hat ihr Handy immer bei sich, auch im Bett– eine Vorsichtsmaßnahme und Sicherheit, um Hilfe rufen zu können, bis ihr an einem Morgen das Handy wegrutscht und zu Boden fällt. Ihre Finger, ihre Hände – ihr ganzer Körper, wie versteift und bewegungsunfähig vom Schmerz. Sie kann das Handy nicht mehr erreichen. Laura muss schreien, so lange, bis ihre Mama sie endlich hört. "So will ich nicht mehr leben!"
Die Stimmung ist endgültig im Keller angekommen.
Was bedeutet Freiheit für einen jungen Menschen wie Laura, die durch Krankheit und Schmerz ein ´gefangen Sein´ erfahren muss? Freiheit heißt für Laura, dass die beste Freundin für sie da ist, egal, wie schlecht es Laura gerade geht. Und Resi ist da – immer. Sie kann sich gut emotional abgrenzen und das bedeutet echte Hilfe für Laura. Unsinniges Zeugs reden, über die Welt draußen philosophieren, über alles und nichts quatschen – einfach frei sein von Gedanken an die Krankheit. "Resi – ich bin so froh, dass es dich gibt"!
Mitte Oktober 2020 wird die laufende Therapie mit noch einem weiteren Medikament ergänzt, von dem ihr schlecht wird. Aber dann verändert sich etwas – eher zaghaft – Laura bezeichnet es als Prozess. Erstes Highlight: das Aufsetzen im Bett wird möglich. Sie freut sich ganz still darüber. Als nächstes gelingt es Laura, eine Faust zu machen und sie kann einen kleinen Ball halten. Soll sie sich weiter freuen? Und auf einmal wird es möglich, die Knie abzubiegen! Das fühlt sich ´fremd´ an. Laura freut sich richtig, Vollgas laut. Und mit ihr ihre Eltern und natürlich Resi.
Sich wieder zu spüren und bewegen zu können, Autonomie zurückgewinnen und sich nicht mehr abhängig fühlen. Die Freiheit zu entscheiden, den Rollator in der Ecke stehen zu lassen und die Treppen hinauf und hinunter zu steigen - ohne Papas Hilfe. Selbst wieder aufstehen können und jeden Schritt eigenmächtig zu gehen - auch wenn es unsportlich aussieht – es ist und es bleibt ein beständiges Highlight für Laura und nicht nur eine ´Eintagsfliege´. Lediglich die Sitzhöhe bleibt für diese Unternehmungen ein wichtiges Detail. Laura kann sich wieder selbst duschen, baden, die Haare waschen und all diese Dinge, die für den Rest der Menschheit so selbstverständlich sind. Lieber Gott – Danke!
Den ersten Ausflug in ´fabriksneuer´ Freiheit macht Laura mit der besten aller Resis, ihrer besten Freundin Resi, zum Traunsee - am Halloweenabend.
"Stark bleiben, dich nicht aufgeben. Mental macht es trotzdem was aus, wenn ich mir sage, dass es besser wird. Und kleine, erreichbare Ziele setzen, wie den Stift halten und was zeichnen. Mit Mama am Grünberg spazieren gehen, auch wenn es stark war. Ich fühle mich frei von Krankheit, obwohl sie immer da ist. Die Medikamente erinnern mich ja jeden Tag daran. Das Handy brauch ich nicht mehr mitnehmen. Die freie Entscheidung, über meine Krankheit zu reden, um vielleicht anderen Betroffenen Mut zu machen. Ich habe meine Lebensfreude zurückgeschenkt bekommen".
"Zum Schluss möchte ich noch sagen, dass ich mehrmals nicht mehr gekonnt habe. Die wichtigste ´medizinische Stütze´ bleiben meine Wegbegleiter, auch Chili, mein Kater. Den hab´ ich einmal getröstet bei einem Gewitter, weil er sich so gefürchtet hat. Er war immer an meiner Seite. Ich glaub´, das war sein Dank dafür" (Laura).
DGKP Karin Zwirzitz MSc Zeitschrift LW Ausgabe 1/2021 .